Erinnerungen an unser Leben in Mannheim / Odessa.
Die Auswanderung der Familie Johannes Dettling aus Waldprechtsweier nach Rußland im Jahre 1802....... erzählt von Peter Dettling aus Velbert.
Im Jahre 1802 verließ Johannes Dettling, geb. 1770 in Salzstetten mit seiner Frau Maria Anna Maier, geb. 1776 in Waldprechtsweier und seinen Kindern Michael, Karl, Johann und Philipp seine Heimat als Auswanderer.
Durch Anwerber des Zaren Alexander I. wurden zu dieser Zeit viele Bürger mit Versprechungen zum auswandern animiert.
Das Osmanische Reich der Türken hatte den Krieg 1798 gegen das Zarenreich um die Gegend von Bessarabien - heute Moldawien - und Ukraine um Odessa verloren. Im selben Jahr wurde der Friedensvertrag in Jassy - Bessarabien unterzeichnet.
Das Gebiet war nur eine Steppenlandschaft und so gut wie unbesiedelt, also entschloss man sich deutsche Siedler anzuwerben.
Man versprach den Neusiedlern Steuerfreiheit, Befreiung vom Militärdienst, eigene deutschsprachige Schulen und freie Kirchen. Aber es dauerte nicht lange und die Patres von den Jesuiten mussten 1820 das Land wieder verlassen, angeblich warb man für den Glauben zu viel. Als Ersatz durfte man Patres aus Polen anwerben die der deutschen Sprache mächtig waren.
Zar Alexander III. hob 1883 alle vorher zugesagten Privilegien auf, so mußten die Siedler jetzt Steuern bezahlen und im Zarenreich ihren Militärdienst leisten.
Aufgrund der Aufhebung der Privilegien für die Siedler begann ab 1883 die Auswanderung nach Amerika.
Die Neusiedler von Mannheim bei Odessa begannen im Kutscherganer Gebiet mit den 6 Dörfern: Straßburg - Selz - Baden - Kandel - Elsass und Mannheim. Die erste Generation der Neusiedler hatte es sehr schwer, denn sie hatten noch keine Unterkunft und das teilweise sumpfige, verwilderte Siedlungsland mußte erst noch bearbeitet und urbar gemacht werden. Jede neue Hofstelle bekam 2 Hektar Land für das Wohnhaus mit den Stallungen.
Im Lauf der Jahre erarbeiteten sich die Neusiedler mit viel Fleiß nun doch etwas Wohlstand und die Menschen hatten ihr Auskommen.
Das ging alles gut bis zur Revolution im Jahre 1917.
Die Kommunisten hatten den Kampf gewonnen und alle Landbesitzer wurden enteignet. 1921 hatte man von Mannheim 19 Großbauern enteignet und nach Sibirien oder in den Norden von Russland verbannt. Keiner kam je zurück ...
Als Steigerung wurden im Jahre 1929 alle Eigentümer enteignet und die Einwohner von Mannheim mußten ihr ganzes Vieh sowie alle landwirtschaftlichen Geräte und Maschinen in die neu geschaffene Kolchose abgeben. Lediglich eine Kuh durfte jede Familie behalten. Die Kolchosen bestanden bis 1941.
Schwere Stunden begannen für die 2300 Einwohner von Mannheim ab 1937.
106 Frauen und Männer wurden zwischen 1937 und 1938 wegen sogenannter Sabotage verhaftet und fast alle zum Tode verurteilt. Lediglich 6 Personen kamen davon wieder frei.
Auch mein Vater - Jakob Dettling - wurde am 8.März 1938 verhaftet und am 10.10.1938 zum Tode verurteilt und im Gefängnis von Odessa erschossen. Er wurde dort irgendwo vergraben, wo wurde uns nicht mitgeteilt.
Später im Jahre 1957 wurde er dann nachträglich als unschuldig freigesprochen ...
Meine Mutter mit meinen zwei Schwestern sind 1946/47 in Sibirien verhungert. Ich selbst wurde noch am 24.Dezember 1944 in Belgien als Soldat verwundet und blieb im Westen.
Das Gebiet Transnistrien (Mannheim) wurde am 13. August 1941 von den rumänischen Truppen besetzt. Das Kutscherganer Gebiet stand unter deutscher Verwaltung.
Am 27. März 1944 war die Militärfront schon sehr nahe und so mußten alle Einwohner von Mannheim ihre Siedlung verlassen. Der Flüchtlings-Treck zog von Mannheim durch ganz Bessarabien, Rumänien bis nach Ungarn. Hier mußte alles Vieh und auch die Pferdewagen an das deutsche Militär abgegeben werden. Weiter zog man dann mit der Eisenbahn nach dem Werthegau (Polen) Kreis Kosten.
Am 17. Januar 1945 mußte dann die ganze deutsche Bevölkerung von Kosten vor den russischen Truppen flüchteten. Im Herbst 1945 wurden alle Russlanddeutsche nach Sibirien und in den Norden von Russland auf ewig verbannt.
Das Dorf Mannheim bei, Kutscherganer Gebiet.
Diese Aufnahme stammt von unserem letzten Bürgermeister von Mannheim - Joseph Schuck - . In der Mitte des Bildes sieht man die Kirche und ganz links, das große Haus war das Verwaltungshaus für den Schulze. Die drei großen Gebäude vor der Kirche sind Schulgebäude. Daneben vorne rechts, das große Haus, hatte für Veranstaltungen einen großen Saal. Das Gebäude halblinks oben am Rand war die Friedhofskapelle mit dem deutschen Friedhof sowie dem rumänischen Soldatenfriedhof von 1941. Den Friedhof haben die Russen nach 1945 eingeebnet und heute ist alles überbaut mit Häusern.
Auf dem Bild steht geschrieben: „Franz Jakob Biegler von 1919“
Januar 2013 . . . Peter Dettling